Die Außenwerbung zählt nach den aktuellen Nielsen-Zahlen zu den großen Hoffnungsträgern der deutschen Werbelandschaft. Auf der 1. IDOOH Konferenz 2025 in Hamburg ging es vor allem um die Frage, wie sich Digital Out of Home weiterentwickelt. Dabei standen zwei Themen im Mittelpunkt: bessere Daten und mehr Kreativität.
Am 14. Mai veranstaltete das IDOOH seine traditionelle Frühjahrskonferenz. Mit knapp 200 geladenen Teilnehmern und Gästen aus der Werbebranche gehört die Veranstaltung zu einem der viel beachteten Spezial-Events jenseits der großen Digitalkonferenzen OMR oder DMEXCO. Das gilt umso mehr, als sich die Außenwerbung den aktuellen Nielsen-Zahlen zufolge auf einem stabilen Wachstumspfad befindet. Ganz anders als zum Beispiel die TV-Werbung, deren Umsatz vor allem im ersten Quartal des laufenden Jahres rückläufig war. Die Außenwerbung dagegen wuchs um knapp acht Prozent im Vergleich zum April 2024, während TV einen Rückgang von 2,1 Prozent verkraften muss.
Der Termin für die erste Jahreskonferenz des IDOOH konnte nicht besser gewählt sein, denn zeitgleich endete eine für die Branche wichtige Frist. Die Initiative Hamburg Werbefrei hatte ein Bürgerbegehren gestartet, das zum Ziel hatte, die Menge der Außenwerbung in Hamburg zu begrenzen und stärker zu regulieren. Der Initiative gelang es nicht, die zum Stichtag, dem 13. Mai, nötigen 60.000 Unterschriften beizubringen. Die Nachricht wurde vom Auditorium im altehrwürdigen Ruder- und Segelclub Allemannia in Hamburg mit Erleichterung aufgenommen. Kurz brandete sogar Applaus auf.
Noch bessere Daten

Die Branche weiß aber, dass sie weiter an ihrem Image arbeiten muss. Sie ist die in der Öffentlichkeit sichtbarste Form der Digitalwerbung. Gleichzeitig ist der mögliche Streuverlust von Kampagnen offensichtlich. Also muss die Gattung selbst den Beweis antreten, dass DOOH wirkt. Das ist besonders wichtig, da im Kampf um die Budgets großer Werbungtreibender eine Disziplin wie CTV dadurch punkten kann, dass Daten-Targeting angewendet wird und die Systematik der Kampagnenschaltung ähnlich dem ist, was Werbungtreibende zum Beispiel von Online-Display her kennen.
Somit war es folgerichtig, dass Frank Goldberg, einer der beiden Geschäftsführer des IDOOH, das Thema Werbewirkungsforschung gleich an den Anfang der Konferenz stellte. Goldberg zeigte, mit welchem Aufwand die aktuelle Studie des IDOOH, die „Public & Private Screens 3.0“, erstellt worden war. Welche unterschiedlichen Datenquellen man angezapft hat, um besser zu verstehen, welche Stele wie wirkt. „Bewegungsdaten von Mobilfunk-Anbietern können zum Beispiel dabei helfen, zu verstehen, wann wie viele Menschen an einem Screen vorbeilaufen“, so Goldberg. Aber das reicht ihm nicht. „Nicht jeder, der an einem Bildschirm vorbeiläuft, kann sich auch daran erinnern.“ Es braucht also zusätzlich Brand-Lift-Studies oder knallharte Performance-Zahlen.
Noch ist die Studie nicht vollständig ausgewertet. Die Ergebnisse sollen im Frühsommer vorliegen und dazu wird es auch ein Tool geben, mit dem Advertiser und Agenturen simulieren können, wo sie welche Zielgruppen besonders wirkungsvoll erreichen. „Das ist ein reines Planungswerkzeug. Die eigentliche Buchung geschieht über die DSPs“, stellt der IDOOH-Geschäftsführer klar.
Und wenn keine Daten da sind?

Ein grundlegendes Verständnis der Wirkungsweise von DOOH ist unabdingbar. Aber wenn es nach Gülsen Göreci geht, ist es nicht mehr zeitgemäß, sich auf personenbezogene Targeting-Merkmale zu verlassen. Die Außenwerbung kann das ohnehin nur in Ausnahmefällen, aber vor allem bei digitaler Banner- und Videowerbung wird es immer schwieriger, einzelne Menschen zu adressieren.
Sei es dadurch, dass auf bestimmten Systemen Cookies gar nicht mehr verfügbar sind, wie etwa auf iPhones. Oder sei es, weil die Menschen sensibler mit ihren Daten umgehen und daher keine Zustimmung (Consent) erteilen, dass Werbungtreibende diese Daten nutzen dürfen.
Die logische Konsequenz ist für die Senior Lead Business und Product Development bei Mediaplus Realtime, dass man andere, eventuell sogar wirkungsvollere Targeting-Mechanismen zum Einsatz bringt. Sie nennt es „Smart Targeting“. Dabei geht es zum Beispiel um den spezifischen Kontext, in dem eine Werbung auf einen Rezipienten trifft. „Wir ersetzen des ‚Wer‘ durch das ‚Warum‘“, so Göreci. Die Künstliche Intelligenz kann dabei helfen, Verhaltensmuster in den Daten aufzuspüren, auch ohne die Einzelperson mit Namen und Handynummer zu kennen.
Auf das Creative kommt es an

Gülsen Göreci glaubt nicht, dass Stand heute die KI auch interessante Werbemittel in guter Qualität erstellen kann. Das sieht Ravi Ahluwalia anders. Der Country Manager DACH von Vistar Media hatte es sich zum Ziel gesetzt, zu zeigen, welche großen Kampagnen in der Vergangenheit schon mit datenbasierter Kreation erfolgreich gearbeitet haben. „Keine zehn Prozent der Kunden nutzen diese Möglichkeiten“, so Ahluwalia.
Im Zentrum seines Vortrags stand eine Fallstudie zu Rituals Sakura. Die gehobene Marke suchte eine Zielgruppe mit überdurchschnittlichem Einkommen. Und diese sollte in einem Moment erreicht werden, wenn sie in der Nähe eines Rituals-Stores war. Eine solche Kombination von Merkmalen lässt sich natürlich am besten über eine programmatische DSP verarbeiten. Und bei Rituals funktionierte das blendend. 38 Prozent mehr Kaufbereitschaft und 32 Prozent mehr Markenbekanntheit waren die Folgen.
Kaufbereitschaft UND Markenbekanntheit? Genau. Die Rituals-Kampagne kümmerte sich nicht um die klassische Trennung zwischen Abverkauf und Markenbildung. In einem einzigen Motiv fand beides statt: die emotionale Inszenierung der Marke und der Call-to-action in Sachen Store-Besuch. „Werbungtreibende vergessen gelegentlich, wie wichtig die starke Marke für den Erfolg einer Performance-Kampagne ist“, erläuterte Ahluwalia am Rande der IDOOH-Konferenz. Und seiner Auffassung zufolge kann die KI hier auch helfen: Vistar hat ein Tool entwickelt, mit dem sich Werbemotive automatisch bewerten lassen. „Wir haben die Best Practices aus den letzten 20 Jahren da hinterlegt“.
Dreamteam DOOH + Retail Media

Auf der anschließenden Podiumsdiskussion wurde es weniger spannend, als man vom Setup her hätte erwarten können. Außenwerbung und Retail Media stehen ja durchaus in bestimmten Bereichen im Wettbewerb miteinander, man denke nur an die Monitore in den Schaufenstern der Händler. Aber die Beteiligten an der Diskussion waren sich einig darüber, dass es mehr Verbindendes als Spaltendes zwischen den beiden Disziplinen gibt. So zeigte ja gerade die Kampagne von Vistar und Rituals, wie wichtig DOOH für den Handel sein kann, um Traffic in die Läden zu bringen. Die Botschaften aus der Außenwerbung sollten dann aber auch „auf der Fläche“ von den Werbungtreibenden verlängert werden.
Christian Raveaux (REWE), Max Werner-Hentrich (Viewento, Partner von Edeka) und Armin Nusser (LAYA, Partner von Galeria) machten auch deutlich, dass es durchaus sinnvoll ist, gemeinsam den großen Werbungtreibenden ein konsistentes Bild der Customer Journey mit den unterschiedlichen Touchpoints zu liefern, statt sich in kleinteiligem Wettbewerb aufzureiben. „Die Flut hebt alle Schiffe.“ Mit dieser Metapher deutete Christian Raveaux an, dass das potenzielle Wachstum im Markt für alle groß genug sei.
Allerdings wurde auch deutlich, dass gerade Edeka, REWE und Galeria im Moment genug damit zu tun haben, Angebote für ihre endemischen Kunden zu schaffen, also für solche Unternehmen, die auch beim jeweiligen Händler Produkte verkaufen. Die non-endemischen Etats hätte man gerne, sie stehen aber im Moment noch nicht ganz oben auf der Prio-Liste. Hier hakte Laura Hentschel ein, die als Vertreterin von IT Works die Agentur- und Kundensicht repräsentierte. „Das bildet noch kein System ab. Diese Fragmentierung muss weg“. Für Agenturen und Kunden kann selbst der attraktivste Kanal durchs Raster fallen, wenn der Aufwand zu hoch ist, ihn durchgängig zu bespielen.
Der Blick über den Tellerrand

Eine DOOH-Konferenz sollte dieser Tage nicht enden, ohne das Thema Energieeffizienz und CO₂-Reduktion zu behandeln. Beides sind Themen, die von DOOH-Gegnern gerne ins Feld geführt werden. Das IDOOH selbst, aber auch viele unabhängige Studien haben berechnet, dass DOOH angesichts der großen Reichweiten zu den effizientesten und sparsamsten Mediengattungen zählt.
Die Programmgestalter entschieden sich dafür, dieses Thema nicht direkt anzusprechen, aber noch einen Schritt weiterzudenken. Robin Hüdepohl von E.ON Energy Projects erläuterte die Möglichkeiten, wie man bereits emittiertes CO₂ wieder aus der Luft zurückholt. Das hat keinen unmittelbaren Bezug zur Außenwerbung, macht aber deutlich, wie jeder einzelne Wirtschaftszweig seinen Teil beitragen kann, zumal die ESG- und Transparenzpflichten im Lieferkettengesetz die Großunternehmen dazu bringen werden, diesem Kriterium immer mehr Bedeutung zu schenken. Und unter diesen Großunternehmen sind viele große Advertiser.
DOOH-Anbieter könnten auf die Idee kommen, ihre CO₂-Bilanz dadurch zu verbessern, dass sie in ein Carbon-Removal-Projekt investieren. Ein prominentes Beispiel gibt es, und bei der Nennung des Namens reagierten zahlreiche Besucher der IDOOH-Konferenz erstaunt. Microsoft ist gerade dabei, alle historisch erzeugten CO₂-Emissionen wieder zu neutralisieren, rückwirkend quasi. Die Software-Company ist mit Abstand der größte Investor bei Carbon Removal.
Der Spaß in der Werbung

Der Abschluss des Tages gehörte Marcus Veigel. Seit 26 Jahren begeistert er sich für neue Technologien und versucht herauszufinden, wie man damit die Werbung besser und vor allem unterhaltsamer machen kann. Und sein Engagement ist ungebrochen.
In einem mitreißenden Plädoyer forderte er die DOOH-Vermarkter dazu auf, gemeinsam mit ihren Kunden kreativer zu denken. „Es ist so einfach, auf einer DOOH-Stele dreidimensional zu werden“, so der Gründer der Agentur Cynapsis Interactive. Dazu muss man nicht auf 3D-Stelen warten, die hierzulande kaum genehmigungsfähig sind. Das geht auch über 3D-Simulation auf 2D-Monitoren. Und es geht sogar preisgünstig, wenn man bereits entwickelte Templates weiter nutzt.
Und wenn man schon die zwei Dimensionen des DOOH-Bildschirms verlässt, warum dann nicht spielerisch in Form von Augmented Reality. „Eines der großen Probleme von DOOH ist Engagement. Das kann webbasierte Augmented Reality lösen.“ Will sagen: Der User nimmt eine kleine AR-Anwendung auf dem Smartphone mit nach Hause, die er auf einer DOOH-Stele im Vorbeigehen „gefunden“ hat.
Klassentreffen
Alle Vorträge und die Podiumsdiskussion lieferten eine Menge Gesprächsstoff für die anschließende Networking-Runde. Bis spät in die Nacht genossen die Teilnehmer der ersten Jahreskonferenz des IDOOH 2025 den Blick über die inzwischen ruhig daliegende Außenalster, während Kreativ-Legende Hartwig Keuntje mit seiner grandiosen Jazzband aufspielte. Als die letzten Gäste den Ruder-Club Allemannia verließen, mussten sie auf dem Fußweg über ein von einem Laternenmast abgerutschtes Plakat steigen. Es war ein analoges Werbeplakat der Initiative Hamburg Werbefrei. Einer der Gäste merkte schmunzelnd an: „Hoffentlich wird das auch fachgerecht entsorgt.“