Nach 3-D-Installationen erobert zunehmend auch Augmented Reality (AR) die digitale Außenwerbung. Anders als bei Virtual Reality, die eine komplett simulierte Realität darstellt, wird bei AR die reale Welt durch virtuelle Inhalte angereichert. Als interaktive Schnittstelle zwischen physischem und digitalem Raum eröffnet AR zahlreiche neue Werbemöglichkeiten. Marcus Veigel, Gründer und Geschäftsführer der digitalen Kreativagentur cynapsis interactive, erklärt den Trend. Veigel ist zudem stellvertretender Vorsitzender der Fokusgruppe Immersive Experiences und der Digitalagenturen im Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW).
Herr Veigel, AR wird in verschiedenen Marketing-Disziplinen eingesetzt, doch im Bereich Digital Out of Home nimmt man diese Technologie bisher wenig wahr. Wieso?
Diese Einschätzung trifft leider zu und als echter AR-Evangelist muss ich sagen, dass hier noch viel Luft nach oben ist. Aber wir sind auf einem guten Weg, denn inzwischen gibt es immer mehr 3-D-Installationen im öffentlichen Raum. Diese smarte Technologie ist die Basis für AR-Anwendungen, da sie die interaktive Schnittstelle zwischen dem physischen und dem digitalen Raum bildet. So wird auch Augmented Reality immer relevanter im DOOH-Business. Vor allem dann, wenn die beiden Disziplinen Mobile und Social mit einbezogen und Kampagnen damit crossmedial ausgespielt werden.
Was ist die größte Hürde für den Einsatz von AR in DOOH-Kampagnen?
Die größte Hürde heißt Motivwechsel. Man hat als Nutzer ja nur zehn Sekunden Zeit, um das Handy zu zücken und es auf den QR-Code zu halten, dann ist das Motiv wieder weg. Eines unserer Learnings ist deshalb, dass das Umfeld, in dem so ein Spot ausgespielt wird, eine enorm wichtige Rolle spielt. Pendlersituationen eignen sich daher weniger gut. Deutlich besser sind Lazy-time-Momente, wie wir sie in Einkaufszentren, Fußgängerzonen oder auch an Bushaltestellen erleben. Anders als an der Straße hat man dort die Muse und Ruhe, sich mit dem begehbaren Internet zu beschäftigen und sich beispielsweise in die Tropen zu beamen oder Produkte zu entdecken. Dafür braucht man im Übrigen keine teure AR-Brille, es reicht das Smartphone.
Können Sie uns einen Use-Case zur Interaktion zwischen Marken und Konsumenten mittels AR nennen?
Ein sehr beeindruckendes Beispiel ist wohl das von Vodafone, mit dem das Gigakombi-Angebot beworben wurde. Über den QR-Code auf den Plakaten wurde die eigentliche AR-Kampagne auf dem Smartphone sichtbar. Das Gigakombi-Paket schoss als Paket aus der Wand heraus und Popcorn, Ballone und Emojis flogen durch die Luft. Um die Kampagnenwirkung noch zu verstärken, zählte jedes Playout als Los in einem Gewinnspiel. Allein schon die Tatsache, dass man durch den Einsatz von AR die Anwender von einem öffentlichen Raum auf ihr persönliches Device lotsen kann, hilft Werbetreibenden enorm. So einen Effekt könnte ein Prospekt nie erreichen.
Wie reagieren Konsumenten auf AR-Erfahrungen im Vergleich zu klassischen DOOH-Formaten?
Sie bleiben lange vor den Displays stehen und beschäftigen sich damit. Im Idealfall verlängern sie die Kampagneninhalte dann auch bei Freunden und der Familie. Das hängt allerdings stark vom Mehrwert ab, der durch die AR-Inhalte geschaffen wird.
AR sorgt für langlebigere und intensivere Markenbindung
Welche Rolle spielt der Gaming-Effekt beim Einsatz von AR?
Eine riesige, denn Nutzer werden selbst aktiv. Sie erleben, drehen, konfigurieren und spielen, anstatt nur passiv einen Werbeclip zu konsumieren. Durch die Aktivität werden neben den kognitiven auch die motorischen Hirnregionen angeregt. Man erlebt mehr, das bewirkt in Summe eine stärkere Erinnerung von Marke und Botschaft. Durch das Konfigurieren wird eine langlebigere und intensivere Bindung geschaffen, als durch den reinen Blickkontakt. Somit wird AR auch zum Conversion- und Umsatztreiber.
Gibt es dazu Zahlen, die das belegen?
Bisher leider noch nicht. Aber laut Harvard Business Report, der die Vorteile von AR für Marken aufzeigt, zeigt sich eine positive Steigerung bei den Käufen – und zwar bei der Customer Journey mit AR im Vergleich zur Customer Journey ohne AR um knapp 20 Prozent. Das klappt zum Beispiel, wenn AR die Verbindung zu einem digitalen Pop-up-Store ermöglicht. Durch die realitätsnahe Darstellung können sich die User ein besseres Bild machen. Wenn es dann noch eine eingebaute Shopfunktion gibt, über die Artikel gekauft werden können, steigert das die Conversion. Auch die Retourenquote verbessert sich, da Kunden einen differenzierteren Eindruck von den Produkten erhalten.
Das alles klingt aufwändig und nach deutlichen Mehrkosten. Worauf müssen sich Werbetreibende – im Vergleich zu klassischer DOOH-Werbung – einstellen?
Vergleicht man das mit einem aufwändigen Videodreh, dann liegen die Kosten für AR vermutlich sogar niedriger. Denn AR baut auf 3D-Dateien auf. Über die Daten, die es dazu braucht, verfügen die meisten Unternehmen ohnehin. So haben beispielsweise Automobil- oder Möbelhersteller ihr gesamtes Produktportfolio in Datenform verfügbar. Wenn also ein Möbelhersteller seine neue Produktlinie als CAD-Datei vorliegen hat, kann er mit AR ein riesiges Asset für die Homepage schaffen, das sich beispielsweise auch im E-Mail-Marketing nutzen lässt. Aber klar, im direkten Vergleich zu einer reinen DOOH-Kampagne mit schon bestehenden Videos kommen Zusatzkosten hinzu, die von Fall zu Fall variieren.
AR reichert DOOH mit aufmerksamkeitsstarker Opulenz an
Gibt es rechtliche Einschränkungen bei der Platzierung von solchen Kampagnen?
Wir empfehlen unseren Kunden immer, genügend Abstand zur Straße zu wahren. AR ist immersiv. Geht man einen Schritt zurück, um die Motive besser betrachten zu können, besteht die Gefahr, vom Bordstein auf die Straße zu treten.
Wie könnte AR das DOOH-Marketing in den nächsten fünf Jahren prägen?
Ich denke, dass ein wichtiger Mehrwert in Zukunft Opulenz heißen wird. Spannende Möglichkeiten sehe ich bei Events und Festivals. Bei beiden gibt es sehr aufmerksamkeitsstarke Flächen, um Produkte in Szene zu setzen. Insgesamt bin ich davon überzeugt, dass wir digitale Außenwerbung künftig anders denken werden. Wir zeigen nicht mehr nur Einzelspots, sondern schöpfen die ganze Klaviatur der crossmedialen Möglichkeiten aus.
Ein neuer Toaster gefällig? AR auf DOOH im Selbsttest
Über folgenden imaginären Use-Case kann Augmented Reality im DOOH-Kontext getestet werden. Die Idee hier ist, DOOH mit dem AR-Pop-up-Store shoppable zu machen und zu erleben. So kann man mithilfe von AR beispielsweise
- Produkte über OOH/DOOH sehen
- Produkte in 3D entdecken
- Produkte in Originalgröße und Varianten erleben
- Produktinfos aus dem Web lesen
- Direkter Deeplink in Shop API möglich
Einfach den QR-Code scannen, das erscheinende Bild auf die DOOH-Stele projizieren und die einzelnen Produkte antippen!