„DOOH ist ein sehr dankbares Neuro-Medium“

Kaufen ist ein Entscheidungsprozess, und 95 Prozent der Entscheidungen treffen wir unbewusst. Gesa Lischka, CEO der Neuromarketingagentur Kochstrasse, ist überzeugt: Wer dieses Unbewusste in die Kampagnenentwicklung einbezieht, hat mehr Erfolg. Gerade Digital Out of Home bietet dabei ein enormes Potenzial.

 Frau Lischka, warum ist Neuromarketing wichtig und wie kann man damit die Werbewirkung steigern?

Wir treffen 95 Prozent unserer Entscheidungen unbewusst. Und Kaufen ist ein Entscheidungsprozess – der eben auch zu 95 Prozent unbewusst abläuft. Sich damit im Marketing auseinanderzusetzen, macht also sehr viel Sinn. Trotzdem wird oft, vor allem im B2B-Bereich, hauptsächlich auf rationale Argumente gesetzt. Im Neuromarketing hingegen analysieren wir genau diese unbewussten Entscheidungsprozesse und machen sie sichtbar. Auch psychologische Faktoren spielen dabei eine zentrale Rolle. Indem wir sie in das Marketing einbeziehen, gestalten wir Werbung relevanter und wirkungsvoller – was letztlich den Erfolg von Unternehmen steigert.

Welche Faktoren haben denn einen Einfluss auf die unbewusste Kaufentscheidung?

Ein anschauliches Beispiel hierfür ist das Verpackungsdesign: Um unbewusste Kaufimpulse auszulösen, arbeiten wir gezielt mit bestimmten Farben, Formen und Bildern. Mithilfe der funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRT) können wir dann beobachten, welche Bereiche im Gehirn besonders aktiviert werden. So sehen wir zum Beispiel, wie stark das Belohnungszentrum reagiert, aber auch, inwieweit der Preis im ‘Schmerzareal’ als unangenehm empfunden wird. Auf dieser Grundlage lassen sich fundierte Hypothesen darüber aufstellen, ob ein Produkt in einer bestimmten Verpackung besser verkauft wird als ein anderes – und wir können den optimalen Preis ermitteln.

Gesa Lischka, CEO der Neuromarketingagentur Kochstrasse
Gesa Lischka, CEO der Neuromarketingagentur Kochstrasse

Unser Gehirn sucht ständig Neues – Out of Home liefert

Wie kann Außenwerbung die Erkenntnisse aus dem Neuromarketing für sich nutzen?

Außenwerbung muss extrem schnell wirken, quasi im Vorbeigehen. Genau darin liegt die große Stärke dieses Mediums: Wenn sie neurowissenschaftlich gut gemacht ist, bleibt sie im Gedächtnis. Dafür muss sie jedoch bestimmte Regeln befolgen, die für unser Gehirn entscheidend sind, wie etwa eine klare Botschaft, die auf den ersten Blick verständlich ist. Wir können messen, welche Begriffe positiv oder negativ besetzt sind und so gezielt prüfen, wie Headlines oder Claims wirken. Allerdings nehmen wir unbewusst bereits beim Vorbeigehen oder Vorbeifahren Farben und Formen wahr und bilden erste Assoziationen, bevor wir überhaupt den Text sehen. Unser Gehirn ist ständig auf der Suche nach Neuem, und hier kann Außenwerbung besonders punkten. Gelingt es, in den ersten Millisekunden ein Bedürfnis zu erfüllen – zum Beispiel nach Stimulanz oder etwas Neuem – lenkt sie die Aufmerksamkeit besonders effektiv.

Und wie kann besonders Digital Out of Home (DOOH) beim Thema Neuromarketing punkten?

Bei DOOH dreht sich vieles um Bewegtbild, und Bewegung ist ein Reiz, den wir unbewusst wahrnehmen und automatisch verarbeiten. Dadurch ziehen solche Inhalte unsere Aufmerksamkeit auf sich. Auch Beleuchtung spielt eine wichtige Rolle, da sie den Kontrast verstärkt und somit die Wahrnehmung schärft. DOOH ist daher ein äußerst effektives Medium aus neurowissenschaftlicher Sicht – wenn eine Kampagne gut umgesetzt ist, fällt es uns schwer, wegzuschauen.

Hell erleuchtet und bewegt – DOOH zieht die Blicke unweigerlich auf sich

Welche drei Dinge sollte man aus Neurosicht in der Außenwerbung beachten?

Es ist wichtig, dass eine Botschaft klar und einfach gehalten wird und dass es eine Botschaft gibt und nicht mehrere. Kontraste ziehen automatisch unsere Aufmerksamkeit auf sich, sei es durch Farben, Größenunterschiede oder den Kontrast zwischen Freiraum und gestalteter Fläche. Auch Abweichungen von der Norm funktionieren gut, indem man das Medium auf unerwartete Weise einsetzt. Zu viel Text, zu viele Botschaften oder visuelle Elemente sollte man vermeiden. Ein gutes Beispiel ist der Begriff ‚Neu‘ auf einem Störer: Er wirkt viel stärker als der Hinweis ‚Ab 25. November überall erhältlich‘. ‚Neu‘ spricht ein Grundbedürfnis im Gehirn sofort an und zieht die Aufmerksamkeit unmittelbar auf sich.

Heute ist viel die Rede von Trustbrands und Vertrauen. Wie kann Neuromarketing – vor allem in der Außenwerbung – dabei helfen, Trust aufzubauen?

Vertrauen steigert erwiesenermaßen den Umsatz. Marken müssen daher heute mehr denn je Vertrauen aufbauen. Das geschieht durch die Ausschüttung von Oxytocin, dem Hormon, das für Vertrauen verantwortlich ist. Normalerweise wird es durch soziale Bindungen und zwischenmenschliche Nähe freigesetzt – aber Marken können ja nicht mit ihren Kunden kuscheln! Stattdessen muss Oxytocin durch Werbung erzeugt werden. Wenn Menschen das Gefühl haben, dass ihnen zugehört wird und sie ernst genommen werden, entsteht Vertrauen. Das gelingt gut durch Interaktion auf Social Media. Auch das Erfüllen unbewusster Bedürfnisse, wie dem Bedürfnis nach Sicherheit, steigert das Vertrauen in eine Marke. In der Außenwerbung können bestimmte Codierungen wie Bilder, Farben und Formen helfen, dieses Bedürfnis zu befriedigen. Siegel spielen ebenfalls eine Rolle: Wir wissen aus unseren fMRT-Messungen, dass Siegel das Sicherheitsbedürfnis befriedigen. Dabei ist es sogar egal, ob sie echt sind oder nicht. Das Vertrauen steigt trotzdem.

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