Ines Imdahl, Gründerin und Geschäftsführerin des Marktforschungsinstituts lönneker & imdahl rheingold salon, hat sich intensiv mit der Gen Z beschäftigt. Die ernüchternde Erkenntnis: Diese Alterskohorte ist die, die am wenigsten nachhaltig agiert. Ein Gespräch darüber, warum Nachhaltigkeit dem Lustprinzip folgen muss.
Frau Imdahl, wie würden Sie die Haltung der Generation Z zum Thema Nachhaltigkeit beschreiben?
Wir müssen hier zunächst zwischen Mindset und Handlung unterscheiden. So sagen 60 Prozent der Frauen in dieser Zielgruppe, dass Nachhaltigkeit ihr Herzensthema sei. Bei der Konkretisierung sieht es jedoch ganz anders aus. Diverse Studien zeigen, dass die Gen Z jene Alterskohorte ist, die am wenigsten nachhaltig agiert. Es gibt keinen Bereich, in dem sich diese Zielgruppe besser verhalten würde als andere. Natürlich gibt es auch vereinzelt junge Menschen, die sich sehr für Klimafragen engagieren. Aber von Fridays for Future auf die Gesamtheit zu schließen, wäre ein Trugschluss.
In welchen Lebensbereichen zeigt sich das mangelnde Nachhaltigkeitsbewusstsein der Generation Z besonders stark?
Der Trend Fast Fashion wird so gut wie ausschließlich von der Gen Z getrieben. Sie sind die Kunden der größten Umweltsünder schlechthin, Shein und Temu. Gleichzeitig gibt es viele junge Menschen, die Second-Hand-Mode kaufen. Doch hier ist nicht Nachhaltigkeit die Motivation, sondern Individualität, also, sich von anderen abzuheben. Ansonsten würde man ja die Klamotten aus dem Freundes- und Familienkreis auftragen, anstatt die zu kaufen, die aus Amerika um den halben Erdball hergeflogen werden.
Wie sieht es im Bereich Ernährung oder Reisen aus?
Was den Bereich Fast Food angeht, geben laut Bundeszentrum für Ernährung zwar 2,3 bis 6 Prozent der 14- bis 24-Jährigen an, dass sie aus Gründen des Tierwohls vegan leben. Doch diese Einstellung endet häufig an der Döner-Bude oder bei McDonald’s. 50 Prozent der jungen Männer sagen ohnehin, dass sie niemals auf Fleisch verzichten würden und es am liebsten täglich essen. Auch beim Thema Fliegen ist die Gen Z nicht bereit, zu verzichten. Während in unseren Studien 70 Prozent der Älteren angaben, in Zukunft deutlich weniger fliegen zu wollen, waren es bei den Jüngeren nur 50 Prozent. Sie wollen die Welt bereisen und würden das sogar am liebsten zu ihrem Beruf machen.
Gen Z in puncto nachhaltigem Verhalten schnell verunsichert
Es gibt offenbar Widersprüche zwischen dem Wunsch nach Nachhaltigkeit und anderen Bedürfnissen wie Preisbewusstsein oder der Lust auf Neues. Warum?
Diese Alterskohorte tut sich schwer zu definieren, was nachhaltiges Verhalten überhaupt ausmacht. Sie versucht sich hier und da, aber lässt sich auch schnell wieder verunsichern, wenn irgendwo kontrovers diskutiert wird. Es fehlen oft auch die konkreten Skills, wie genau man nachhaltig agieren kann. Auch das Thema Preisbewusstsein ist interessant: Die wenigsten sind bereit, für Bio- oder regionale Produkte mehr zu zahlen. Es geht hier aber nicht um den Preis, denn für Kleidung geben sie fast doppelt so viel aus wie die Millennials. Das Geld wäre also da, aber die Verteilung erfolgt nach dem Lustprinzip.
Offenbar muss ein anderer Ansatz her. Was würden Sie als Psychologin empfehlen?
Die Nachhaltigkeit muss dem Lustprinzip folgen. Durch Verbote erreicht man nur das Gegenteil. Deshalb sollten Marken Nachhaltigkeit mit einem Lustgewinn verknüpfen. Tiefenpsychologisch gesehen, ist Nachhaltigkeit umso nachhaltiger, je mehr Spaß sie macht. Erst über diesen Hebel bekommen wir das auch in die breite Bevölkerung. Dagegen wäre Nachhaltigkeit verknüpft mit Verzicht wie eine Dauerdiät – und die hält niemand aus. Im Bereich Fast Fashion gibt es bereits interessante Beispiele: Neue Kollektionen, die aus gebrauchten Teilen gefertigt werden, Reparaturangebote für Outdoorkleidung und Sneaker oder Sportkleidung ohne schädliche Kunststoffe.

Unterdessen gehen viele Unternehmen und Marken gerade dazu über, ihre Nachhaltigkeits- und Diversity-Programme zurückzufahren. Wie bewerten Sie diesen Schritt?
Ich finde das fatal, denn unsere Studien zeigen, dass junge Menschen Marken und Unternehmen mehr vertrauen als der Politik. Konsumierende haben dann nicht mehr das Gefühl, dass sie sorglos Produkte kaufen können, weil das Unternehmen ressourcenschonend produziert, Müll vermeidet, Lieferketten einhält oder Wasser und Energie einspart. Haltungskampagnen sind ein Zeichen gegen Green Washing und damit wichtiger denn je.
Digital Out of Home für Gen Z besonders attraktiv
Marken haben es ohnehin immer schwerer, die junge Zielgruppe überhaupt noch medial zu erreichen. Was bedeutet das für die Außenwerbung?
Unsere Studien zeigen, dass junge Zielgruppen Außenwerbung wahrnehmen, allein schon, weil sie nicht übersehbar ist. Das gilt für analoge Werbung auf City-Light-Postern oder Wahlplakaten genauso wie für digitale Screens. Die sind für junge Menschen sogar besonders attraktiv. Im Bereich DOOH gibt es herausragende Kampagnen, die möglicherweise auch eine Interaktion ermöglichen. Oder wie zum Beispiel jüngst zur Netflix-Serie Cassandra, die als 360-Grad-Kampagne konzipiert wurde.
Wie spricht man diese Zielgruppe am besten an?
Es gibt kein Standardrezept, denn es kommt auf die Branche und das Umfeld an, in dem Werbung auf die Zielgruppe trifft. Gleichwohl sollte man ständig überprüfen, ob Bildsprache, Farbgestaltung und Schnitte noch zur Zielgruppe passen, da Social Media ständig neue Codes kreiert. Besonders interessant ist, dass sich die junge Zielgruppe durchaus für Werbung begeistert, die Produkte und Dienstleistungen bewirbt, die außerhalb ihrer Wahrnehmungs-Bubble liegen, wie etwa Putzmittel, Finanzprodukte oder Versicherungen. Das sind Dinge, von denen sie auf Social Media nichts mitbekommen, weil das in ihrem Feed nicht auftaucht. Das macht diese Creatives so attraktiv, denn sie begegnen dieser Generation nur noch als Außenwerbung.