Auch wenn jedem die Dringlichkeit des Themas bewusst ist: Nachhaltigkeit ist in der Medienbranche noch lange kein Selbstläufer. Für den nötigen Handlungsdruck sorgen nun immer mehr Regularien. Das ist auch richtig so, findet Stephanie Helen Scheller, Managing Partner Sustainable Solutions EMEA bei der Omnicom Media Group, die in ihrem Gastbeitrag einen Einblick in die wichtigsten Regulierungsmaßnahmen gibt.
Nachhaltigkeit ist relevant, und die nachhaltige Entwicklung sollte auch in der Medienbranche nicht länger die Ausnahme, sondern fester Bestandteil täglicher Entscheidungen sein. Das zeigen einem nicht nur die für jeden sichtbaren Umweltveränderungen, sondern auch die Ergebnisse zahlreicher Studien, die den Handlungsbedarf wissenschaftlich untermauern. Doch der Status Quo der Medienlandschaft macht deutlich: Um Nachhaltigkeit hier zu einem Must-Have zu entwickeln, reichen Fakten und das individuelle Engagement einzelner überzeugter Entscheidungsträger:innen noch nicht aus, um die nachhaltige Entwicklung voranzutreiben.
Und genau bei dieser Diskrepanz zwischen der Notwendigkeit einer nachhaltigeren Zukunft und den aktuellen Entwicklungen setzen Regularien an. Die Anforderungen erhöhen den Druck und bringen viele Unternehmen dazu, aktiv zu werden, die bisher zwar die theoretische Notwendigkeit der nachhaltigen Transformationen anerkannt haben, aber bei der praktischen Umsetzung hauptsächlich noch von der Seitenlinie aus zuschauen.
Einblick in Regularien und ihr Bezug zur Medienbranche
Um die Zielsetzungen von Regularien einzuordnen, können drei Bereiche definiert werden, die durch die rechtliche Grundlage positiv beeinflusst werden sollen. Zum einen appellieren die direkten Anforderungen an die betroffenen Stakeholder, individuell Verantwortung zu übernehmen und aktiv Ressourcen für die Entwicklung zu platzieren. Zum anderen liegt der Fokus auf der Förderung von Transparenz der Unternehmensaktivitäten: Das etwaige Aufdecken von unbewussten oder bewussten Verschleierungen erhöht den Druck auf die Beteiligten, ihre Herausforderungen und Chancen zu reflektieren. Darüber hinaus ermöglicht eine Ausgangssituation, die von einer gemeinsamen Bewertungsgrundlage ausgeht, die bessere Vergleichbarkeit von Unternehmen untereinander.
Für einen ersten Einstieg in das Thema sollten sich Unternehmen in der Branche aktuell mit den folgenden Regularien auseinandersetzen:
Green Claims Directive
Diese Regulierungsmaßnahme der EU richtet sich gegen falsche oder irreführende Umweltaussagen, die gemeinhin als „Greenwashing“ bezeichnet werden. Demzufolge müssen Umweltaussagen wie „klimaneutral“ zukünftig wissenschaftlich belegt werden. Ziel ist es, Transparenz, Nachweisbarkeit und Vergleichbarkeit zum Schutz der Konsument:innen zu gewährleisten.
In der Praxis ist davon auszugehen, dass Umweltaussagen zukünftig ein standardisiertes Prüfsystem zur Bewertung durchlaufen. Bei erfolgreicher Überprüfung wird eine Konformitätsbescheinigung durch externe, unabhängige Prüfstellen zur Verwendung freigegeben. Was zunächst vor allem nach Zusatzaufwand für Unternehmen klingt, kann durchaus einen Wettbewerbsvorteil mit sich bringen. Denn Werbetreibende können sich somit zukünftig mithilfe von wissenschaftlich fundierten, offiziell geprüften Umweltaussagen im Wettbewerb positiv hervorheben, da Transparenz und Glaubwürdigkeit sichergestellt sind.
Mit einer flächendeckenden Umsetzung der Green Claims Directive kann frühestens 2026 gerechnet werden. Nach Einigung des Europäischen Parlaments und des Rats der Europäischen Union sind EU-Mitgliedsstaaten dazu verpflichtet, die Richtlinie innerhalb von 24 Monaten in nationales Recht zu überführen und die Maßnahmen innerhalb von 36 Monaten anzuwenden. Mehr Informationen dazu gibt es hier.
Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD)
Die CSRD ist die wichtigste Entwicklung in der Harmonisierung der Nachhaltigkeitsberichterstattung mit dem Ziel der Vergleichbarkeit und Einheitlichkeit innerhalb der EU. Inhaltlich definiert die Verordnung die Offenlegungsanforderungen an Unternehmen.
In Kraft getreten ist die CSRD im Januar 2023 und wird von jetzt an stufenweise verpflichtend. Dabei müssen ab dem Geschäftsjahr 2024 bereits die ersten Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitenden nach den sektorübergreifenden Standards berichten. In der EU werden in den kommenden Jahren insgesamt ungefähr 50.000 Unternehmen stufenweise dazu verpflichtet werden, nach der CSRD zu berichten.
Was für viele, insbesondere kleinere Stakeholder der Medienbranche aktuell noch als irrelevant erscheint, beeinflusst die Branche jedoch bereits heute indirekt. Denn auch Emissionen, die durch Werbeaktivitäten entstehen, sind im Rahmen der Scope 3-Emissionen von werbetreibenden Kund:innen in den meisten Fällen berichtspflichtig. Dementsprechend betrifft es Agenturen und Vermarkter indirekt, da sie die notwendigen Daten ihren Werbekund:innen zur Verfügung stellen müssen. Zudem lohnt es sich für die Branche, bereits heute einen Blick in die Zukunft der Berichterstattung zu werfen: Im Juni 2026 sollen sektorspezifische Standards veröffentlicht werden, die mutmaßlich den Fokus für die Medienbranche noch einmal ändern könnten.
Weitere Informationen zu dem Gesetzestext gibt es hier und ergänzende Erklärungen hier.
Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG)
Das LkSG regelt die unternehmerische Verantwortung in Lieferketten, wobei die Sorgfaltspflichten zusätzlich zum eigenen Geschäftsbereich auch das Handeln von Vertragspartnern und weiteren Zulieferern einschließen.
Es gilt seit dem 1. Januar 2024 für Unternehmen mit mindestens 1.000 Beschäftigten. Diese sind dazu verpflichtet, Risiken entlang ihrer gesamten Lieferkette zu identifizieren, zu bewerten und zu priorisieren. Daraufhin sollten eine Grundsatzerklärung veröffentlicht und entsprechende Maßnahmen zur Prävention und Abhilfe ergriffen werden. Zu den Pflichten gehört darüber hinaus eine regelmäßige Berichterstattung über das Lieferkettenmanagement und die Einrichtung von Beschwerdekanälen.
Als Teil der Lieferkette ihrer werbetreibenden Kund:innen kann die Gesetzgebung auch die Agenturen und Vermarkter der Medienbranche betreffen, die Auskunft zu den geforderten Aspekten geben müssen. Vorteile der einheitlichen Anforderungen sind zum einen die Rechtssicherheit, die dadurch gegeben wird. Zum anderen bietet das Gesetz eine verlässliche Handlungsgrundlage für ein nachhaltigeres Lieferkettenmanagement mit resilienten Beschaffungswegen. Ergänzend bildet es die Grundlage für einen stärkeren Fokus der Unternehmen auf eine faire Herstellung und Beschaffung und kann den Diskurs zwischen Unternehmen und den Beteiligten ihrer Lieferkette fördern.
Weitere Informationen zu dem Gesetzestext gibt es hier und ergänzende Erklärungen hier.
Der Blick in die Zukunft
In den vergangenen Jahren ist eines klar geworden: Die nachhaltige Entwicklung der Medienbranche ist kein Selbstläufer und die Regularien nehmen weiter zu. Dadurch kann Passivität langfristig keine Option mehr sein. Dies unterstreicht insbesondere die Green Claims Directive, die die Stakeholder der Branche direkt in die Pflicht ruft. Solche branchenindividuellen Anforderungen ermöglichen es, die Unterschiede und Schwerpunkte zwischen Branchen widerzuspiegeln. Sie geben uns eine Richtung vor, worauf wir uns innerhalb der thematischen Komplexität von Nachhaltigkeit als erstes fokussieren sollten.
Dass die praktische Umsetzung von Regularien meist leichter gesagt als getan ist, weiß jeder von uns. Daher bietet sich im ersten Schritt die Bildung einer soliden Basis an, auf der weiter aufgebaut werden kann. Dafür können folgende Elemente erste Anhaltspunkte geben:
- Aufklärung: Sensibilisierung innerhalb des Unternehmens hinsichtlich der Relevanz von Nachhaltigkeit im Kontext von Regularien. Die Wichtigkeit von Nachhaltigkeit wird häufig nur anhand von Fakten und individuellen Ansichten gemessen, die nicht in den Druck zur aktiven Umsetzung übergehen. Daher gilt es Regularien aktiv zu thematisieren und aufzuklären.
- Verantwortlichkeiten: Häufig stagniert die nachhaltige Entwicklung, nachdem anerkannt wurde, dass Nachhaltigkeit relevant ist. Die Festlegung von Personen, die Verantwortung für das Thema übernehmen, kann dabei helfen, Entwicklungsschritte aktiv voranzutreiben.
- Strukturen: Die Erfüllung von Regularien kann durch die Etablierung grundlegender Strukturen unterstützt werden, die die benötigte Datenbasis zur Umsetzung sicherstellen. Eine frühe Analyse des unternehmensinternen Status Quo, um Chancen und Herausforderungen zu identifizieren, hilft dabei, strukturelle Schwerpunkte zu setzen.
Doch unabhängig davon, ob das eigene Unternehmen bereits betroffen ist oder nicht, sollten alle Entscheidungsträger:innen ab sofort aktiv werden. Bereits kleine Schritte signalisieren, dass man sich nicht länger mit dem Status Quo zufriedengeben möchte, und senden ein positives Zeichen an alle, die noch zögern. Denn wenn jeder die Verantwortung für sein eigenes Handeln anerkennt, können wir gemeinsam großes Bewirken und so auch unabhängig von Regularien aus Überzeugung die nachhaltige Transformation einer ganzen Branche vorantreiben.