Markus Riese ist Green CMO of the Year 2024. Seit Anfang 2020 koordiniert er den Aufbau eines strategischen Nachhaltigkeitsmanagements im BR und im ARD-Medienverbund. Im September 2021 übernahm er zusätzlich die Leitung des ARD-Boards Ökologische Nachhaltigkeit. Im Interview erklärt er, wie es ist, an der Gestaltung einer enkeltauglichen Medienwirtschaft mitzuwirken und einheitliche Standards zu definieren und zu etablieren.
Herr Riese, im Bereich Nachhaltigkeit nimmt der BR – und mit ihm die gesamte ARD – eine Vorbildrolle ein. Wie ist diese Transformation gelungen, bei der Sie als Marketingverantwortlicher einen maßgeblichen Anteil einnehmen?
Wir hatten das Thema schon länger auf unserer Agenda. Auf Veranstaltungen, bei Produktionen, aber auch im Programm. Richtig Fahrt nahm es dann vor drei Jahren auf, als Katja Wildermuth die BR-Intendanz übernahm. Sie erkannte das Thema als Zukunftsaufgabe und setzte es auf der Unternehmensagenda weit nach oben. In diesem Zuge wurde auch ein Board beim BR eingeführt, in dem die unterschiedlichen Direktionen des Hauses vertreten sind – Programm, Finanzen, Personal, und auch das Marketing.
Inzwischen ist daraus ein ARD-Netzwerk geworden. Wie ist es organisiert?
Wir haben dafür zunächst Kompetenzfelder identifiziert und Kompetenzteams in den neun Landesrundfunkanstalten sowie bei der Deutschen Welle gebildet. So ist beispielsweise der MDR für nachhaltiges Betriebsmanagement zuständig, der SWR für publizistische Verantwortung zu Nachhaltigkeit und Klimaschutz, der BR für Green IT, nachhaltige Verbreitung und Medienproduktion sowie nachhaltiges Eventmanagement.
Neue, ressourcenschonende Produktionspraktiken
Apropos Medienproduktion. Der Tatort aus München wird inzwischen grün produziert. Was bedeutet das genau und wie erkennt der Zuschauer das?
Er erkennt es im Abspann an dem Label „Green Motion“. Das bedeutet, dass bei der Planung und Umsetzung in besonderer Weise Energie und Ressourcen gespart und auf neue ressourcenschonende Produktionspraktiken gesetzt wurde. Mit der Umstellung auf eine umwelt- und ressourcenschonendere Herstellungsweise geht eine Reduzierung der CO2-Emission einher. Wir setzen das seit 2022 verbindlich bei unseren fiktionalen Produktionen um, wozu neben dem Tatort auch der Polizeiruf zählt. Über eine Selbstverpflichtung nutzen wir auch bei unseren Eigenproduktionen dieses Konzept.
Nachhaltigkeit ist auch ein Investitionsthema. Unterdessen sind öffentlich-rechtliche Institutionen zu Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit angehalten. Widerspricht sich das nicht?
Nein, denn diese Investitionen zahlen sich mittel- oder langfristig wieder aus. So wurde im Studio der Tagesschau die klimaschädliche Beleuchtung durch LEDs ersetzt, mit der Folge, dass der Strombedarf um 70 Prozent gesunken ist. Auf dem BR-Campus in Freimann wird der Strombedarf perspektivisch durch Photovoltaik-Anlagen gedeckt. Wir werden dort also einen großen Teil unseres Stroms selbst produzieren. Das spart im Jahr nicht nur 350 Tonnen CO2, sondern auch 100.000 Euro Stromkosten jährlich. Auch umweltschonende Mobilität ist ein großes Thema. Vieles kann über Videokonferenzen erledigt werden. Ein weiteres Beispiel ist der Papierverbrauch in unseren Büros. Hier haben wir deutliche Einsparungen erzielt.
Graswurzelbewegung von innen heraus
Für so einen Changeprozess braucht es auch Engagement jedes einzelnen. Woher rührt diese Motivation?
Nachhaltigkeit ist eines der Top-3-Themen, das die Menschen und damit auch unsere Mitarbeitenden bewegt. So gibt es beim BR inzwischen einen großen Unterstützerkreis. In der Initiative Green BR for Future haben sich über 250 Mitarbeitende zusammengeschlossen mit dem Ziel, ihren Arbeitsplatz entsprechend auszurichten und zu verändern. Aus dieser Initiative heraus ist auch ein Ideenwettbewerb entstanden, der wertvolle Ansätze liefert. Es ist eine Graswurzelbewegung, die von innen heraus entstanden ist. Darüber hinaus gibt es Green Scouts in den jeweiligen Direktionsbereichen, vergleichbar mit den Brandschutzhelfern in Unternehmen. Sie wissen über die einzelnen Themen Bescheid und sind jederzeit ansprechbar.
Ist das Marketing tatsächlich die geeignete Stelle, das Thema Nachhaltigkeit ins Unternehmen zu tragen?
Zum einen ist das Marketing eine Nahtstelle, die mit allen Ressorts im Austausch steht. Zum anderen arbeitet die Marketingabteilung gemeinsam mit den Programmverantwortlichen an der Markenführung. Für Medienhäuser sind Marken enorm wichtig. Um sie herum kann eine generationengerechte Markentransformation aufgebaut werden. Ein wichtiger Punkt, um das Thema im gesamtgesellschaftlichen Diskurs zu halten.
Was raten Sie Marketingentscheidern, die sich bisher vielleicht nicht getraut haben, das Thema anzugehen?
Ich würde dafür plädieren, sich in einem ersten Schritt persönliches Engagement zu zeigen und sich im zweiten Schritt nach einem Projekt mit gesellschaftlicher Relevanz umzusehen. Vielleicht gibt es auch die Möglichkeit, das Projekt mit Hilfe einer Kooperation über Unternehmensgrenzen hinweg zu starten. Ich selbst lebe das Thema nicht nur im Unternehmen, sondern auch aus innerer Überzeugung. Gleichzeitig rate ich aber auch immer, andere, die das nicht tun, nicht zu verurteilen. Denn das würde nur zur weiteren Spaltung unserer Gesellschaft beitragen und wäre das Gegenteil von sozialer Nachhaltigkeit.