Wie wir Treibhausgase wieder loswerden können – und warum das nicht länger Zukunftsmusik ist, erklärt Robin Hüdepohl von E.ON Energy Projects auf der IDOOH-Konferenz.
Die Konzentration von CO₂ in der Atmosphäre ist heute rund 50 Prozent höher als zu Beginn der industriellen Revolution – Tendenz steigend. Die Folgen sind längst sichtbar: extreme Wetterlagen, Ernteausfälle, steigende Meeresspiegel. „Wir müssen nicht nur die CO₂-Emissionen drastisch reduzieren, wir müssen jetzt zusätzlich beginnen, CO₂ aktiv aus der Atmosphäre zu entfernen“, sagt Robin Hüdepohl, Senior Lead für Commercial Partnerships bei E.ON Energy Projects, auf der IDOOH-Konferenz in Hamburg. Und genau darüber spricht er in seinem Vortrag: Wie das geht – und was heute schon möglich ist.
Beste Lösung: Durable Carbon Removal
In der Theorie sei das Konzept der Klimaneutralität ziemlich einfach. „Die Welt wird Netto-Null-Emissionen erreichen, wenn die Menge an Treibhausgasen, die wir der Atmosphäre hinzufügen, mit der Menge übereinstimmt, die wir dauerhaft entfernen“, so Hüdepohl. Um zu erklären, was in Sache globaler CO2-Emission jetzt passieren muss, verwendet er die Analogie einer Badewanne: „Die größte Aufgabe für uns alle ist es jetzt zu versuchen, den Wasserhahn zuzudrehen, und gleichzeitig damit zu beginnen, den Ablauf zu vergrößern, um den Anstieg des Wasserspiegels zu verlangsamen und ihn letztendlich zu senken.“
Einige große Unternehmen haben die Notwendigkeit bereits erkannt. Sie haben die CO2-Entfernung als wichtigen Pfeiler ihrer Klimastrategien aufgebaut. So hat sich beispielsweise Microsoft vorgenommen, nicht nur klimaneutral zu werden, sondern auch die Emissionen der Firmenhistorie auf netto-null zu stellen. „Der Konzern will die Summe seiner historischen Emissionen aus der Atmosphäre holen“, so der Experte. Dafür investiert der Tech-Player unter anderem in sogenannte Carbon Removal Credits, also zum Beispiel Aufforstungs- oder Pflanzenkohlezertifikate, um seine Emissionen auszugleichen.
Die Zeit des Handelns ist: jetzt!
In seinem Vortrag macht der Experte nochmal die Dringlichkeit deutlich: 2024 war das wärmste Jahr seit der Aufzeichnung. Die Abweichung von der Durchschnittstemperatur lag bei 1,29 Grad. Und längst sei klar, dass die Menschheit die Ziele der Pariser Klimakonferenz nicht erreichen könne, auch wenn viel getan werde, um Emissionen zu vermeiden und zu reduzieren. „Aber letztlich wird die moderne Gesellschaft vermutlich nie ganz ohne Kohlendioxid-Emissionen auskommen“, sagt Hüdepohl mit Blick auf Branchen wie die der Logistik und des Flugverkehrs.
Doch wie kann es gelingen, die Industrie so aufzubauen, dass sie in der Lage ist, bis 2050 jedes Jahr zehn Giga-Tonnen – sprich, zehn Milliarden Tonnen – CO2 aus der Atmosphäre zu ziehen? Um trotz der genannten Restemissionen zu einer Netto-Null-Emission und damit zur Klimaneutralität zu kommen, braucht es negative Emissionen. Inzwischen setzen sich Expertenteams mit den verschiedenen Formen der permanenten Kohlenstoffentfernung auseinander. Sie erforschen Möglichkeiten ökonomischer Machbarkeit und die ökologischen Folgen.
Dazu gibt es bereits verschiedene Methoden:
Pflanzenkohle: Dafür werden beispielsweise ungenutzte Holzverschnitte oder Erntereste verwendet, anstatt sie verrotten zu lassen. Sie werden mit sehr geringer Sauerstoffzufuhr ultrahocherhitzt, wodurch die Biomasse nicht zu Asche, sondern zu sogenannter Pflanzenkohle wird. Das CO2, das sich vorher in der Biomasse befunden hat, bleibt als fester Kohlenstoff dauerhaft in der Kohle gebunden und gelangt nicht zurück in die Atmosphäre. „Diese Kohle wird in der Agrarwirtschaft als Bodenverbesserer in Feldern, als Tierfuttermittelzusatz oder als Beimischung für Beton und Asphalt genutzt“, erklärt Hüdepohl.
Direct Air Capture: Umgebungsluft wird durch Ventilatoren in eigens dafür gebauten Anlagen angesaugt. Das in der Luft befindliche CO2 gelangt in einen Filter, wird dort mittels chemischer Reaktion von der Luft getrennt und dann zum Beispiel mit Wasser vermischt und in die Erde gepresst beziehungsweise in tiefes Gestein geleitet. Dort mineralisiert es und wird entsprechend zu Gestein und bleibt gebunden. Solche – bislang noch sehr energieintensiven – Anlagen gibt es beispielsweise in Island, in den USA oder in Kenya.
BECCS (Bioenergy with Carbon Capture and Storage): Das ist ein Verfahren, bei dem biomassebasierte Energieerzeugung mit CO₂-Abscheidung und -Speicherung kombiniert wird. E.ON plant, solche Anlagen in Deutschland und Nordeuropa zu betreiben. In einer „Waste-to-Energy“-Anlage in Kopenhagen werden in etwa 100.000 Haushalte mit grünem Strom und grüner Energie beliefert, die auf Müllverbrennung basiert. Die Hälfte davon speist sich aus Hausmüll, die andere aus Biomasse wie zum Beispiel Garten- oder Forstabfällen.
Beschleunigte Gesteinsverwitterung (Enhanced Rock Weathering): Dafür werden Felsen zermahlen, wodurch die Oberfläche der Felsen vervielfacht wird. Somit entsteht mehr Fläche für das Speichern des Kohlenstoffs. Dies geschieht durch eine chemische Reaktion, sobald das Gestein mit Witterung wie Regen oder Schnee in Kontakt kommt. Der Kohlenstoff wird bei dieser Reaktion abgetrennt und gelangt über lange Sicht ins Grundwasser, in die Flüsse und Ozeane. Dort wird es schließlich dauerhaft gebunden.
Die Verfahren sind teils kostspielig
„Kohlendioxid dauerhaft aus der Atmosphäre zu entfernen, hat seinen Preis“, erklärt Hüdepohl. Am teuersten ist aktuell die “Direct Air Capture”-Methode mit circa 800 Euro pro Tonne beziehungsweise pro Zertifikat. Pflanzenkohle liegt am unteren Ende bei circa 100 bis 200 Euro. Die nicht-permanenten Speicherungsmethoden wie die Aufforstung kosten lediglich 10-30 Euro pro Tonne – Qualität hat eben ihren Preis. Vor allem die modernen Removal-Methoden sind im Rahmen der Pariser Klimaziele eine Investition in die Zukunft. Für Unternehmen und ihre Führungskräfte ist es jetzt an der Zeit, aktiv zu werden und zu versuchen, mit der Debatte über eine verantwortungsvolle Klimastrategie Schritt zu halten, rät Hüdepohl. „Wir sprechen im Moment zwar noch von einem freiwilligen Markt, er wird jedoch in Teilen verpflichtend werden und darauf sollte man vorbereitet sein.“