DOOH-World auf DMEXCO: DOOH und Retail Media zeigen gemeinsam Stärke

Auf der diesjährigen DMEXCO zeigte sich die versammelte Schar der digitalen Außenwerber erstmals als Einheit. Man hat verstanden, was die Advertiser und Agenturen brauchen, nämlich einfach buchbare, zielgerichtete Reichweite. Auffällig war der enge Schulterschluss mit Retail Media, DER Wachstumsdisziplin des letzten Jahres. Obwohl man bei der ein oder anderen Platzierung sogar im Wettbewerb miteinander steht, wissen beide Disziplinen, dass Kooperation weit mehr Potenzial verspricht als Risiken beinhaltet. Ein Gastbeitrag von Frank Puscher, Chefredakteur von Meedia.

40.000 Besucher, 1000 Speaker, 700 Aussteller. Die Leitung der DMEXCO 2025 zeigte sich in ihrem Abschlussbericht zufrieden mit den zwei tollen Tagen in Köln. Man hat keine großen Sprünge gemacht im Vergleich zum Vorjahr. Auch das Bühnenprogramm und die Ablauforganisation blieben weitgehend gleich. Aber in Zeiten klammer Budgets und Werbezurückhaltung ist Stabilität in der digitalen Werbebranche ein gutes Zeichen. Der Verband der Onlinevermarkter (OVK) prognostiziert dieses Jahr ein Wachstum von knapp acht Prozent. Getragen wird dieses Wachstum vor allem von Connected TV, Retail Media und Digital Out of Home.

Erfreulich: Viele Werbungtreibende vor Ort

Besonders erfreut zeigte sich die Messeleitung über die hohe Anzahl an Besuchern aus dem Umfeld von Marken und Werbungtreibenden. Sie sind die Geldgeber des digitalen Werbesystems. Ihre Bedürfnisse gilt es zu befriedigen, wenn man das Spielfeld nicht Google, Meta, Amazon und TikTok überlassen möchte. In der Vergangenheit fremdelten Advertiser oft mit der eher technischen Besetzung der DMEXCO. Seit die Messeleitung 2024 mit viel Aufwand den CMO-Gipfel ins Leben rief, um endlich alle relevanten Stakeholder „an einen Tisch“ zu bekommen, scheint sich der Wind zu drehen.

Und die Advertiser sind sich ihrer starken, aber auch mit Verantwortung einhergehenden Rolle bewusst. Schon am Tag vor Messeeröffnung formulierte der OWM, der Verband der Werbewirtschaft, eine Art Pflichtenheft für die ausführende Seite. In den sieben Forderungen geht es im Wesentlichen um einfachere Buchungssysteme, mehr Transparenz und vor allem gattungsübergreifende Lösungen zur Werbeschaltung, aber auch zur Messung.

Werbungtreibende: DOOH-Landschaft zu komplex

Kristina Bulle, die Vizepräsidentin des OWM und Marketingleiterin von Procter und Gamble, seit Jahren einer der größten Werbungtreibenden überhaupt (laut Branchendienst Adage waren es2024 12,75 Mrd. Dollar), nutzte die Gelegenheit auf der DMEXCO und wiederholte ihre Forderungen vor dem versammelten Publikum in der DOOH-World, dem unter dem Dach des IDOOH neu aufgelegten Gemeinschaftsstand der digitalen Außenwerber. Man wolle ja mehr Budget in das offene Web verlagern und die digitale Außenwerbung biete hier ein spannendes Umfeld, weil es keine Risiken in Sachen Fraud und Markensicherheit gibt. Das Problem sei aber, dass die Landschaft so komplex sei, dass der Aufwand, dies zu orchestrieren, viele Marketingabteilungen und Agenturen schlicht überfordert.

Anlaufstelle DOOH-World

Die Außenwerber sind sich dieser Situation bewusst und sie reagieren. Erstmals präsentierten sich zwei Dutzend der wichtigsten Player im DOOH-Markt gemeinsam auf einem Stand am Ende der Halle 8. Und diese Präsentation hatte Wucht. Der wie eine Oase gestaltete Gemeinschaftsstand wurde über die beiden Messetage zu einer Anlaufstelle für weite Teile des Gesamtmarktes. Auch Vertreter anderer Werbedisziplinen wie CTV, Display oder Commerce-Marketing nutzten die kommunikative Atmosphäre der DOOH-World um neue Kontakte zu knüpfen.

Passend zur eigenen Disziplin profitierte die DOOH-World vom Wetter. Man hatte – ein echtes Alleinstellungsmerkmal – sogar einen angrenzenden Außenbereich geschaffen. Dort konnten Branchenvertreter gleichzeitig Gespräche führen und mit einem Auge auf das dargebotene Bühnenprogramm schielen, um sich eventuell dann doch auch dem einen Vortrag oder der anderen Podiumsdiskussion zu widmen. Diese Kombination ist ein absolutes Novum. In der Regel heißt es auf der DMEXCO: entweder Vorträgen lauschen oder Gespräche abseits der Bühnen führen.

Das Branchen-Urgestein Jochen Kalka, früher Chefredakteur des Fachmagazins „W&V“, heute Geschäftsführer der PR-Agentur Schoesslers, war bisher auf fast jeder DMEXCO. Er erklärte die DOOH-World kurzerhand zu seinem Lieblingsplatz. „Ein liebevoll gestalteter Schlosspark, den böse Neider als Schrebergarten verteufelten, zeigte, wie die digitalen Out-of-Home-ler zusammenhalten. Gemeinsam sind sie stark. Das, was Print auf der DMEXCO so gar nicht mehr zeigt, lehrt uns allen diese Zukunfts-DOOH-Zunft. Stark.“

Die Konferenz: DOOH im Spannungsfeld

Ein Grund, warum die DOOH-World vom Publikum so gut angenommen wurde und selbst am „berüchtigten“ Vormittag des zweiten Messetags gut besucht war, könnte gewesen sein, dass die Macher ein umfassendes Bühnenprogramm inszenierten. Eine Konferenz in der Konferenz, wenn man so will. An beiden Tagen wurde die zentrale Bühne von 10 bis 16 Uhr durchgehend bespielt. Und neben Kristina Bulle traten auch zahlreiche weitere Speaker auf, die nicht unmittelbar dem inneren Kreis von DOOH zuzurechnen sind, wie etwa Eleonora Baglini von Lenovo, Björn Beinhauer vom Deutschen Olympischen Sportbund, Cornelia Krebs, Emotionsforscherin von september, Daniel Neuhaus von The Trade Desk, Stefan Mölling, Geschäftsführer des Radiovermarkters RMS, oder Leonie Höhnisch, Werbestrategin bei Danone.

Diese Außensicht tat der Veranstaltung gut, denn es wurden Herausforderungen diskutiert, vor denen sich die Branche nicht verschließen kann, wenn sie ins Herz der Mediapläne vorrücken und TV ein Stück weit von dort verdrängen möchte. Die wesentlichen Fragestellungen waren neben der notwendigen Kooperation und Aggregation der Inventare vor allem die Frage nach der Wahrnehmung der Unterschiedlichkeit der Platzierungen der Bildschirme und der Frage, wie die Außenwerbung die Customer Journey begleitet. Im Grunde gilt das für jede Disziplin und Werbefläche, aber in der Außenwerbung sind Riesenbildschirme an der Autobahn komplett anders zu bewerten als das Tablet an der Kasse des Kiosks.

Branding funktioniert auch am POS

„Der Point of Sale als Standort für Markenkampagnen ist bei den Agenturen bisher nicht überall angekommen“, meint Anke Wresner, Director DOOH bei Schwarz Media. Bislang werden die Werbemöglichkeiten im Handel vorrangig von endemischen Kunden zur Absatzförderung benutzt. Dabei, so Wresner, sind die Menschen mehrfach wöchentlich im Supermarkt ihrer Wahl. Insofern hätten hier auch Kampagnen eine Heimat, die deutlich höher im Funnel ansetzen.

Zwischen dem was Kristina Bulle fordert und dem, was die DOOH-Branche als Alleinstellungsmerkmal definiert, klafft eine Lücke. Die Skalierbarkeit in Sachen Reichweite durch Kooperationen und Programmatic Advertising wäre vor allem dann zu erreichen, wenn überall die gleichen Werbemittel ausgespielt würden.

Die Notwendigkeit der Bezugnahme auf Standort und Kontext der jeweiligen Stele oder des DOOH-Screens wird nirgends besser sichtbar als bei den ganz großen Bildschirmen, auf denen Flaggschiffkampagnen laufen. HYGH hat in Berlin gemeinsam mit dem Centerbetreiber Oxford Properties einen 3D-Bildschirm aufgehängt. Der wird eben nicht programmatisch bespielt, sondern braucht spezifische, ortsangepasste Kreation.

KI als Chance für Kreation und Planung

Dieses Spannungsfeld auflösen können die Mediaagenturen, kann aber auch die Künstliche Intelligenz. Wenn die Kreativagentur Variablen definiert, die mit Inhalten zu Standort, Wetter, Tageszeit oder anderen spezifischen Kontextbedingungen befüllt werden, entsteht Nähe zum aktuellen Kontext der Ausspielung. Der Mediaplaner erhält nicht ein Werbemittel, sondern viele und spielt diese ortsspezifisch aus – unter Zuhilfenahme von Programmatic Advertising.

Dafür braucht es – und das weiß die Branche auch – neue Prozessstrukturen. „Es ist unsere Aufgabe, den Werbungtreibenden die Möglichkeiten zu zeigen und das, was es dafür braucht“, meint Laura Hentschel von It Works. Und das impliziert auch, dass man alle wichtigen Stakeholder rechtzeitig an den Planungstisch holt. Bislang ist das nicht immer der Fall.

Alle Stakeholder auf einer Messebühne vereint

Oder man vereint die Stakeholder eben auf einer Messebühne. Den Veranstaltern der DOOH-World ist es gelungen, vor allem Retail Media als starken Partner auf der Bühne zu zeigen. Man könnte beide Disziplinen als Wettbewerber sehen. Die DMEXCO 2025 zeigte eher das Gegenteil.

Insgesamt zeigte sich die digitale Außenwerbung durch ihr „Joint-Venture“ sehr schlagkräftig und selbstbewusst im Werbemarkt. Ein solch deutliches Signal an die werbetreibende Industrie würde man sich auch von anderen Disziplinen wünschen.

Diesen Post teilen