Was hat „Akte X“ mit Media zu tun? In der aktuellen Folge seines einzigartigen Media-ABCs geht Thomas Koch den mysteriösen Phänomenen der digitalen Werbung auf den Grund – von unsichtbaren Ads über UFO-Budgets bis zu Bot-Kontakten – und räumt pointiert mit Branchenmythen auf.
„Akte X – Die unheimlichen Fälle des FBI“ (Original: The X-Files) mit den Special Agents Dana Scully und Fox Mulder ist eine amerikanische Fernsehserie, deren erste Staffeln von 1993 bis 2002 ausgestrahlt wurden. Sie gilt als Begründerin des Mystery-Genres. Ok, aber was hat „Akte X“ dann in unserem Media-ABC zu tun? „Akte X“ gibt uns Gelegenheit, an dieser Stelle mit einigen Mysterien in unserem Media-Gewerbe aufzuräumen. Ein Mysterium, weiß Wikipedia, „ist ein Geheimnis, das nicht vollständig verstanden wird“. Solche Geheimnisse kommen im Mediabereich viel häufiger vor, als man denkt.
Das erste solche Media-Mysterium ist die Aufmerksamkeit. Ernsthaft. Denn aus unerfindlichen Gründen beginnen neuerdings immer mehr Branchenvertreter darauf hinzuweisen, dass Werbung, die nicht gesehen wird, nicht wirken könne. Darauf wäre man im Leben nicht gekommen. Dieses Problem entsteht jedoch tagtäglich bei der Auslieferung von Onlinewerbung. Forensiker behaupten, dass jede dritte Ad im nicht sichtbaren Bereich ausgeliefert wird. Obwohl sie nicht gesehen werden kann, wird sie jedoch fleißig reportet und mit Kunden abgerechnet.
Das ist spooky, denn es bedeutet: Von den mehr als 6 Milliarden Euro, die wir jedes Jahr in Display investieren, bleiben 2 Milliarden unsichtbar und können nicht wirken. Das gibt es bei Print, TV oder (D)OOH nicht, sie zeigen Werbemittel sichtbar, im Radio sogar hörbar.
UFO-Kontakte landen nirvanös im All
Dann wären da noch die „UFO-Platzierungen“. Nach übereinstimmenden Angaben aus dem In- und Ausland gehen beim Einsatz digitaler Werbung entlang der Supply Chain zwischen 50 und 64 Prozent der Etatmittel wirkungslos verloren. Etwa 15 Prozent der Onlinegelder sind überhaupt nicht zuordenbar, niemand kann also sagen, wo dieses Geld bleibt. Das sind die mysteriösen UFO-Kontakte, die im außerirdischen Nirvana landen. Da die beworbene Marke draußen im All nicht verfügbar ist, wirbt die Marke umsonst. Stimmt nicht, natürlich nicht umsonst: UFO-Kontakte werden regulär abgerechnet, als wäre nichts geschehen.
Auch dieses Phänomen ist bei Print, TV, Kino, Radio und (D)OOH nicht überliefert. Im Gegensatz zu digitaler Werbung, die angeblich messbar ist, werden für alle anderen Medien Werbemittelkontakte erhoben. Man weiß also präzise, wie viele Menschen aus Fleisch und Blut Anzeigen und Spots haben sehen können. Online bleibt dieses Mysterium ein seit jeher streng gehütetes Geheimnis.
Enge Kontakte zu Robotern
Bei „Robo-Kontakten“ wiederum handelt es sich um Werbung, die von Robotern, liebevoll Bots genannt, gesehen wird. Im Stadtbild oder Supermarkt vor Plakaten begegnen sie einem äußerst selten, auf der Couch beim Fernsehen oder im Auto auf dem Weg zur Arbeit nie. Im Netz dagegen sehr häufig. Die Experten sind sich nicht einig, wie häufig sie auftreten. Die Schätzungen liegen aber bei 47 bis 70 Prozent der Fälle.
Das Lustige ist, dass die schelmischen Bots auch auf Ads klicken. Es kommt bestimmt noch der Tag, an dem sie kaufen und bezahlen. Dann schreien die Marketingverantwortlichen vor Glück.
Mitten in die Investigation der Media-Mysterien erreicht uns die Nachricht, dass 92 Prozent der OWM-Mitglieder der Werbewirkung eine „mangelnde Nachvollziehbarkeit“ attestieren. Was passiert wohl, wenn die Werbungtreibenden dahinterkommen, dass Werbewirkung nicht entsteht, wenn man der überwiegend aus Menschen bestehenden Zielgruppe die Werbung erst gar nicht zeigt? Ob sie sich auf die Mystery-Suche begeben nach Medien, auf die in der Kommunikation mit echten Menschen mehr Verlass ist?
Scully und Mulder sind bereits auf den mysteriösen Fall der OWM angesetzt. Ob auch hier eine Verschwörung zwischen mächtigen Werbungtreibenden und Außerirdischen dahintersteckt?