Mit der neuen EU-Verordnung über Transparenz und Targeting politischer Werbung (TTPW) zieht Brüssel die Schrauben an. Künftig muss bei jeder politischen Anzeige klar erkennbar sein, wer dahintersteht und mit welchem Ziel sie ausgespielt wird. Für viele Werbetreibende bedeutet das: zusätzlicher Aufwand und mehr Compliance. Für die Außenwerbung hingegen eröffnet sich die Chance, ihre größte Stärke noch deutlicher auszuspielen: sichtbare, kontextbezogene Kommunikation – ganz ohne den Einsatz personenbezogener Daten. Ein Gastbeitrag von Bernd Rabsahl, CEO der It Works Group
Wenn aus Brüssel neue Regelungen kommen, ahnt die Wirtschaft meist: Es wird komplexer. Mehr Vorgaben, mehr Kontrolle, mehr Verantwortung. Genau das bringt die TTPW mit sich, die seit dem 10. Oktober in Kraft ist. Sie verlangt, dass politische Werbung eindeutig gekennzeichnet und Auftraggeber transparent gemacht werden – und zwar nicht nur bei Parteien, sondern auch bei NGOs oder Unternehmen, die mit ihren Kampagnen politische oder gesellschaftliche Positionen transportieren.
Damit entsteht für die werbetreibende Wirtschaft eine neue Grauzone. Kampagnen wie „Zusammenland – Vielfalt macht uns stark“ von Ströer und führenden Medienhäusern wie DIE ZEIT, Süddeutsche Zeitung oder Handelsblatt beziehen klar gesellschaftspolitisch Stellung. Noch deutlicher wird das bei Edekas Kampagne „Warum bei Edeka Blau nicht zur Wahl steht“. Nach Artikel 2 der TTPW könnten solche Aktionen als politische Werbung gewertet werden – da sie „den Zweck oder die Wirkung haben, das Ergebnis einer Wahl oder eines Referendums zu beeinflussen oder auf politische Entscheidungen und Debatten Einfluss zu nehmen“.
Was gut gemeint war, droht so zum Bumerang zu werden. Unternehmen müssen künftig genau abwägen, ob sie gesellschaftliche Verantwortung öffentlich zeigen – sei es für Vielfalt, Nachhaltigkeit oder Solidarität – oder ob sie sich aus Angst vor Prüfverfahren lieber zurückhalten. Gut gedacht ist eben nicht automatisch gut gemacht.
Regulatorischer Druck trifft datengetriebene Kampagnen
Intermedial kann die neue EU-Verordnung enorme Konsequenzen haben, weil die Daumenschrauben unterschiedlich stark angelegt werden. Vor allem soll das Targeting über TTPW strenger geregelt werden. Davon ist vor allem die digitale Außenwerbung betroffen: Auditierbarkeit, Dokumentationspflichten und Legal Compliance erhöhen die Overheadkosten – gerade bei datenintensiven Programmatic-Setups. Und auch in die Gestaltung wirkt die Verordnung natürlich mit rein: Wenn eine Kampagne unter die TTPW fällt, muss sie klar gekennzeichnet sein – etwa mit dem Hinweis „Diese Anzeige ist politische Werbung“, ergänzt um den Namen des Auftraggebers und eine Kontaktstelle. Die Vermarkter müssen dabei die ordnungsgemäße Kennzeichnung sicherstellen. Fehlt das, drohen Bußgelder.
Im Wettbewerb werden DSPs, die jetzt all diese regulatorischen Auflagen erfüllen, bevorzugt. Neben den Pflichtfeldern (Auftraggeber, Finanzierung, Kosten, Zeitraum, Targeting und Kennzeichnung als politische Werbung) sollte langfristig ein eigenes Transparenzarchiv mit Nachverfolgbarkeit aufgebaut werden. Dort werden neben den oben genannten Informationen auch vertragliche Angaben, Rechnungen, Kreativdateien und Freigaben für den Zeitraum von sieben Jahren gespeichert. Das ist insofern hilfreich, da die EU bis Mai 2026 ein eigenes Archiv bereitstellen möchte, das zur Übermittlung der Transparenzberichte genutzt wird. Je früher also schon eine eigene Infrastruktur aufgebaut wird, desto leichter wird die Integration in das offizielle Modell der EU.
Die neuen To Dos für Werbetreibende
Ein Haufen Arbeit für uns also, aber kein Vergleich mit den Herausforderungen, vor denen die Online-Werbung jetzt steht: Daten dürfen nur dann verwendet werden, wenn die betroffene Person explizit und separat eingewilligt hat; sensible Personendaten (z. B. politische Meinungen, ethnische Herkunft, Religion) dürfen nicht zur Profilierung herangezogen werden – eine weitere, späte Reaktion auf den Cambridge Analytics-Skandal, bei dem das britische Analyse-Unternehmen bei Millionen von Facebook-Nutzern persönliche Daten absaugte, um sie gezielt für politische Parteien zu beeinflussen – und das alles ohne klare Zustimmung der User. TTPW ergänzt damit die bestehenden Regularien DSGVO und Digital Services Act (DSA) um eine Wirkkomponente: Sie verlangt, dass Auftraggeber und Targeting offengelegt werden. Wohl auch deshalb will Meta zumindest in der EU keine politische, wahlbezogene oder gesellschaftliche (social-issue) Werbung auf ihren Plattformen mehr sehen.
Im intermedialen Vergleich eröffnet uns das neue Potentiale: Die Außenwerbung braucht keine personenbezogenen Daten, um Wirkung zu entfalten. Die Ansprache erfolgt kontextuell, nicht personalisiert – also basierend auf Ort, Zeit, Wetter, Umfeld oder Ereignis. Nicht auf einzelnen Nutzerprofilen, sondern der Aggregation von Zielgruppen. Das macht DOOH regulatorisch robust und ethisch anschlussfähig. So wird unser Medium gerade bei politischen und institutionellen Auftraggebern zu einem Vertrauensanker in einem zunehmend sensiblen Medienumfeld.
Transparenz ist keine Bedrohung, sondern ein Angebot an Klarheit. Genau darin liegt die Stärke der Außenwerbung: Sie bezieht sichtbar Stellung – nachvollziehbar, überprüfbar und mitten im öffentlichen Raum.