Kreativität ohne Drehzahllimit: Ralf Heuel über DOOH, Werbung und Porsche-Momente

Wer sind die Menschen hinter den Kampagnen, die Digital Out of Home mit Leben, Haltung und Wirkung füllen? In unserer neuen Porträt-Reihe „Let’s talk DOOH“ treffen wir prominente kreative Köpfe, die das Medium nicht nur nutzen, sondern formen. Den Auftakt macht Ralf Heuel, Kreativchef bei Grabarz & Partner – Autoliebhaber, Gourmet und ein Visionär für das, was DOOH heute kann.

Wenn erfolgreiche Männer in die Midlife Crisis kommen, steht meist irgendwann ein Sportwagen oder Oldtimer vor der Tür – als Symbol für Freiheit, Stil oder einfach Fahrspaß.
Sehr erfolgreiche oder besonders bekannte Männer leben diese Leidenschaft oft deutlich früher aus: Christian Lindner beispielsweise fuhr mit 19 bereits seinen ersten Porsche (allerdings Boxster). Ulf Poschardt erinnerte sich kürzlich auf Instagram daran, dass er sich im Jahr 2000 – mit gerade einmal 33 – einen Ferrari 328 GTB gönnte. Ralf Heuel, Miteigentümer und Kreativchef der Agentur Grabarz & Partner, liegt irgendwo dazwischen – zeitlich, stilistisch und vielleicht auch in seiner Haltung zum Auto. Im Alter von 30 kaufte er sich seinen ersten Porsche 911, Baujahr 1970 – umgerechnet für heute kaum mehr vorstellbare 15.000,- Euro. Es war das Jahr 1997.

Der Liebe zu Autos ist Ralf Heuel treu geblieben, mit Geschäftspartner und Freund Reinhard Patzschke teilt er sich ein paar klassische Autos der Marke Porsche, Alfa Romeo und auch mal einen alten Opel Manta. Der Liebe zur Werbung blieb er genauso treu. Hier legt er eine für die Branche bemerkenswerte Monogamie an den Tag. Als Junior-Texter gehörte er 1993 zur Gründungscrew von Grabarz & Partner. Und ist bis heute dort geblieben. 32 Jahre und fünf Monate. Das Vorstellungsgespräch war bei Agenturgründer Andreas Grabarz vergleichsweise schlicht gehalten. Zusammen eine quarzen und bisschen über Werbung sprechen. So waren die Bewerbungsgespräche damals. Nie in Versuchung geraten zu wechseln? „Nein“, schüttelt Heuel den Kopf, „ich weiß, wie privilegiert ich hier in meiner Position bin, ich muss niemandem Rechenschaft ablegen, ich bin unabhängig. Das ist enorm wertvoll.“

Ausgezeichnet: immer wieder

Seine Ehrungen und Auszeichnungen im Laufe der Jahre füllen zwei pralle Absätze auf Wikipedia. Er ist Jury-Mitglied unserer DOOH Creative Challenge, war dreimal Juror bei den „Cannes Lions International Festival of Creativity“ und zweimal bei dem britischen „D&AD“-Awards. Der „The Big Won“-Report listete Heuel 2015 unter den vier besten Kreativchefs der Welt, die Lead Awards machten ihn zum „Creative Leader of the year”, Meedia würdigt ihn im Jahrbuch 2019 als einen der „5 Macher des Jahres” im Bereich Agenturen. Slogans wie „Wir lieben Lebensmittel“ (Edeka) oder „Radio. Geht ins Ohr. Bleibt im Kopf” (Radiozentrale) gehen genauso auf sein Konto wie die „Lachenden Pferde” für VW und zahlreiche Kampagnen für Ikea oder Porsche.

In der Außenwerbung sorgte zuletzt seine Kampagne „Auf den zweiten Blick” für die Stiftung Deutsche Depressionshilfe und Suizidprävention für Aufsehen. Bei der DOOH Creative Challenge 2024etwa gewann sie Gold, und beim Cannes Lions International Festival of Creativity erhielt sie den Publikumspreis. Weitere Awards gab es bei den AME Awards in New York oder beim Effie Germany. Bei den Werbeträgern (Wall) spielte gerade DOOH eine tragende Rolle. „Das Medium hat sich sehr spannend entwickelt“, meint Heuel, „es ermöglicht uns heute echte Dramaturgien, Storytelling in sieben bis zehn Sekunden. Das ist ein riesiger Unterschied zur statischen Außenwerbung. Es erfordert aber auch Fingerspitzengefühl in der Kreation, weil sich Motive eben nicht einfach 1:1 adaptieren lassen.“ Parallelen sieht der Kreative hier zu Social Media, wo es eben auch darum gehe, mit kleinen Clips, Mini-Geschichten, die Menschen zu fesseln. „Die Wahrnehmungssituation ist in beiden Fällen ähnlich. Doch viele Kreative unterschätzen noch die Möglichkeiten von DOOH.“

KI: ein Erdbeben

KI werde der gesamten Branche – und auch DOOH – einen enormen Schub geben: „Ein Erdbeben“. Natürlich lassen sich längst Kampagnen-Motive per KI erstellen, aber bei Grabarz & Partner habe man schon vor der kreativen Entwicklung KIs soweit trainiert, dass sie Antworten wie menschliche Fokus-Gruppen liefern können. So entstünden datenbasierte Insights, die kreative Prozesse beschleunigen und gleichzeitig die Wirksamkeit der Maßnahmen deutlich erhöhen. Man merkt, bei dem Thema kommt Ralf Heuel so richtig auf Drehzahl.

Einen Gang runter schaltet er privat beim Kochen. Ausgleich zu seiner 60 Stunden-Woche. „Der Satz: Kreativität ist die Fähigkeit, sich selbst zu überraschen, gilt auch am Herd. Aber es gibt auch einen Unterschied zur Kreation: Hier quatscht einem kein Mensch rein“, so der 58-jährige Gourmet und Weinliebhaber. Kochen sei für ihn am Abend die ideale Entspannungsübung. Und auch früh morgens zeigt er allen Selbstperformern und übereifrigen Jüngern der Leistungskultur kurz den Mittelfinger. Rituell beginnt er den Tag mit einem kontemplativen Schaumbad. Kaffee trinken, News lesen, den Tag vorbereiten, umgeben von angenehm duftenden 37 Grad. Motto: In den Tag hinein dampfen.

Let’s Talk DOOH: Stefan fragt. Ralf antwortet.

  1. Was hat dich zuletzt so richtig vor einem DOOH-Screen gefesselt?
    Das Beste, was ich je auf einem DOOH-Screen gesehen habe, ist bereits 11 Jahre alt: “Look up” für British Airways. Ein kleiner Junge auf einem riesigen Digital Screen erkennt und identifiziert unterschiedliche BA-Maschinen, die genau in diesem Moment tatsächlich am Himmel sind.
  2. Du bekommst ein DOOH-Netz, sieben Tage, kein Budgetlimit. Was stellst du an?
    Ich verticke die Flächen meistbietend auf Ebay und investiere den Erlös in eine gute Sache: Ein paar Ausnahme-Sportwagen aus Zuffenhausen, auf deren Motorhauben die Buchstaben “RS” stehen.
  3. Welcher Trend wird DOOH den nächsten großen Schub geben?
    Individualisierung und Kontextualisierung in jeder Form. Zeitlich, räumlich, persönlich.
  4. Für welchen Kunden wolltest Du schon immer mal arbeiten und warum?
    Ich habe das große Glück (und manchmal auch Pech), dass ich mich für wirklich alles begeistern kann. Ich sehe überall Chancen. Auch bei Marken, die bislang unter dem Radar sind und die man langfristig entwickeln könnte. Also eher Beziehung als One-Night-Stand.
  5. Aus Niederlagen lernt man am meisten: Welches Projekt hast Du so richtig versemmelt und was hast Du für Dich daraus gezogen?
    Ich hab vor vielen Jahren mal eine Pitch-Präsentation für Fritz Kola komplett an die Wand gefahren, weil ich viel zu viel wollte und nichts gut genug fand. Letztlich mussten wir zwei Tage vor Präsentation anrufen und sagen: “Wir haben nichts.” Gelernt habe ich daraus, wie wichtig es ist, locker in der Hüfte zu bleiben. Auch wenn man den Etat noch so sehr will.
  6. Wenn DOOH ein Song wäre: Wie würde er heißen?
    “Tick, Tick, Boom” von The Hives. Praktisch die AIDA-Formel mit E-Gitarren.
  7. Und wen sollten wir Deiner Meinung nach in unserer Serie „Let’s talk DOOH“ als nächstes vorstellen? Warum? 
    Unbedingt Fabian Frese. Nach vielen Jahren als hochbezahlter CCO von KolleRebbe und Accenture Song hat der gerade eine Agentur gegründet. Der kann jede PR gebrauchen.

Diesen Post teilen