„Wir wollen jedes Medium motivieren, nachhaltiger zu werden“

Eine Brancheninitiative, die von Serviceplan angestoßen wurde und der mehrere Mediaagenturen wie die GroupM, Omnicom und IPG angehören, schafft die Grundlage, um Medien in Bezug auf ESG-Kriterien vergleichen zu können. Das Thema Nachhaltigkeit wird künftig zum KPI. Nachhaltigkeitsexperte und Unit Director New Business & Marketing bei Mediaplus, Florian Ecker, über die wichtigsten Aspekte.

Herr Ecker, warum braucht es eine solche Brancheninitiative?

Florian Ecker: Die kommenden gesetzlichen Regelungen verlangen von allen Unternehmen Transparenz in Sachen Nachhaltigkeit. Das gilt für uns als Agentur, aber auch für unsere Kunden. Mit der Brancheninitiative soll eine einheitliche und vergleichbare Bewertungsgrundlage zur Auswahl nachhaltiger Mediaangebote für die Mediaplanung geschaffen werden. Das Scoring soll keine reine Agentur-Initiative werden, sondern eine offene Marktinitiative, die von allen Beteiligten mitgetragen wird, nur so bekommt sie die nötige Validität und Relevanz.

Warum wird es für Unternehmen immer wichtiger, das Thema Nachhaltigkeit in ihre Kampagnenplanung einzubeziehen?

Für den Erhalt unseres Planeten ist es alternativlos, auf Nachhaltigkeit zu setzen. Unternehmen kommen aber um eine transparente Nachhaltigkeitsberichterstattung gar nicht mehr herum, spätestens wenn das Lieferkettensorgfaltsgesetz oder die Corporate Sustainability Reporting Directive ab 2025 auch für kleinere Unternehmen greifen. Es mag überraschen, aber ja, Media ist ebenfalls ein Teil der Lieferkette und somit auch der Bereich Werbung. ESG-Kriterien (Environmental Social Governance) sind auch jetzt schon Teil vieler Etat-Ausschreibungen. 2025 wird das massiv zunehmen.

In Sachen Nachhaltigkeit soll es künftig eine einheitliche Währung für alle Vermarkter geben. Wie gelingt es, Medienangebote und die dazugehörigen Unternehmen zu vergleichen?

Um diese neue Währung erstellen zu können, bedienen wir uns einer Systematik aus dem Finanzmarkt, bei der börsenübliche ESG-Kriterien zugrunde gelegt werden. Hierfür arbeiten wir mit dem unabhängigen Ratinganbieter ISS zusammen, der bereits viele börsennotierte Unternehmen gescort hat. Der Index erlaubt es Werbekunden und Media-Agenturen, ihre Media-Investments auf Grundlage auch von standardisierten ESG-Kriterien zu planen. Nachhaltigkeit wird damit zu einem weiteren Kriterium, das in die Planung miteinbezogen werden kann.

Bewertet werden ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit

Welche Kriterien werden für das Scoring herangezogen?

Das ESG Corporate Rating untersucht nicht nur ökologische, sondern auch ökonomische und soziale Nachhaltigkeit. Das deckt neben Themen wie Klimawandel, Ressourcenintensität und Nachhaltigkeitsmanagement auch Kriterien wie Menschenrechte, gesellschaftliche Verantwortung, Zahlungsströme oder Datenschutz und Nachhaltigkeitsmanagement ab. Insgesamt gibt es rund 100 Bewertungskriterien.

Wie stellen Sie sicher, dass die erhobenen Daten auch valide sind?

Da wir die Daten nicht selbst erheben, sondern mit einem etablierten und geprüften Ratinganbieter zusammenarbeiten, ist Unabhängigkeit und Validität gewährleistet. Es ist ein sensibles Thema, deshalb muss absolut sichergestellt sein, dass die Daten korrekt sind. Die Informationen, die die Medienpartner liefern, werden von unserem Partner ISS gesammelt und aufbereitet.

Stößt Ihr Plan eher auf Begeisterung oder Skepsis?

Ich würde sagen, eher auf Neugier. Mit dieser Brancheninitiative wollen wir jedes Medium motivieren, in seinem Handeln nachhaltiger zu werden. Manche tun sich damit leichter, andere schwerer.

Wie sehen beispielsweise Printvermarkter die Initiative? Print hat als One-to-One-Medium einen relativ hohen CO2-Ausstoß.

Es geht, wie bereits erwähnt, nicht nur um ökologische Aspekte wie den Carbon Footprint. Es gibt wesentlich mehr Kriterien, die in den KPI Nachhaltigkeit mit einfließen, zum Beispiel alles, was soziale und ethische Nachhaltigkeit angeht. Außerdem werden nicht einzelne Print-Titel gescort wie beispielsweise „Bild“ oder „Welt“, sondern in unserem Beispiel das gesamte Haus Axel Springer. Dabei gehen Print- und Digitalangebote in die Bewertung ein.

Letzten Endes entscheidet der Kunde, wo geworben wird

Dennoch: Werden dann bestimmte Vermarkter im Mediamix hinten runterfallen?

Nicht unbedingt, denn es kommt immer darauf an, welche Aspekte welchem Kunden wichtig sind. So könnte es sein, dass ein Medienpartner im Hinblick auf ökologische Nachhaltigkeit je nach Score im Bereich A, B oder C rankt, dagegen aber in ethischer Hinsicht unter das Limit fällt. Sagt ein Kunde, es komme für ihn nicht in Frage, auf einer Plattform zu buchen, die das Thema soziale Verantwortung nicht in den Griff kriegt, dann fließt da auch kein oder nur sehr wenig Werbegeld hin. Wir gehen aber davon aus, dass das Scoring künftig nicht alleiniger KPI ist, denn Werbung muss wirken. Und da zählen auch andere KPIs wie Reichweite oder Visibilität. Aber zurück zu Ihrer Frage: Es kann gut sein, dass es einige Verschiebungen geben wird.

Aber es klingt danach, als sei das alles mit einem ziemlichen Aufwand verbunden?

Natürlich ist es ein zusätzlicher Punkt im Strategie- und Planungsprozess. Aber wenn erst einmal ein Rahmen gefunden ist, dann ist der Aufwand nicht mehr so groß. Tatsächlich wird ein Index uns hier helfen.

Wie sieht der zeitliche Fahrplan aus?

Wir beginnen in diesem Quartal mit der Erhebung und gehen davon aus, dass alle Vermarkter, die mitmachen wollen, in Q2 und Q3 dann gescort wurden. Wir rechnen damit, dass wir in einem Jahr den ersten Case vorweisen können.

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